Beruf

Mit dem Buch in der Hand

Tschechien-Buch, Einband

Ein Rückblick: Wie war es, ein ganzes Buch zu schreiben? Also nicht bloß einen Artikel für eine Zeitung oder eine Fachzeitschrift, oder einen Beitrag auf einem Blog, sondern gleich ein ganzes Buch.

Es war viel Arbeit. Erstaunlich viel Arbeit. Aber es hat Spaß gemacht. Es war ein Wechsel aus begeistertem Schwelgen in Texten und behutsamem Formulieren von heiklen Themen. Zumeist war es ein Sprung ins Schreiben, wie wenn man an einem herrlichen Sommermorgen in einen Pool taucht. Manchmal nahmen die Recherchen sehr viel Zeit und Kraft in Anspruch. Neben jedem Text existierte dann noch ein Konzept mit einer Fülle von Daten und Gedanken, von denen dann nur ein verschwindend geringer Teil Platz im Buch gefunden hat.

Es war aber auch die stete Unsicherheit, nie genau zu wissen, wo die Texte eigentlich stilistisch und formal hingehörten: Fakten, Meinungen, Anekdoten, Analysen, imaginäre Dialoge, und alles immer mit einer aufklärerischen Mission, da mir persönlich sehr viel an einem friedlichen und respektvollen Umgang zwischen Tschechen und Deutschen liegt.

Es war die Versuchung, das Buch für meine ausufernden Schreiblaunen zu missbrauchen und die Geschichten einfach in irgendeine Richtung weiter zu spinnen. Aber es sollte ja weder eine phantastische Erzählung werden, noch eine Sammlung von Erinnerungen.

Erst beim Schreiben der Gründe, dieses Land zu lieben, hatte ich begonnen, über diese Frage nachzudenken. Agent und Verlag hatten mir schon vorher Exemplare aus der Reihe der 111 Gründe geschickt gehabt, damit ich mir eine Vorstellung machen konnte. Das Schweden-Buch etwa schildert dieses Land fast durchgehend positiv, was man eben mit Astrid Lindgren, skandinavischer Heiterkeit und Ikea verbindet. Die Werke über Russland und Kuba sind da schon viel kritischer. Manche Gründe darin zählen unverhüllt auf, was den Autoren missfällt. Wie aber präsentiert man eine Negativerfahrung in einem Buch, in dem es um Gründe geht, etwas zu lieben? Indem man sagt, dass es Hoffnung auf Besserung gebe? Ist das aber ein Grund, ein Land zu lieben?

Also kommt der Gedanke, dass man all diese Schattenseiten einfach weg lassen könnte. Viele Reiseführer machen es so: Hier gibt es das beste Bier und die schönsten Städte. Und zur Vergangenheit des Landes gehört all das, was sich heute gut macht.1 Das wären dann gute Gründe, um in diesem Land einen Urlaub zu buchen. Aber sind es auch Gründe, um es zu lieben? Kann man ein Land lieben, ohne durch den schwierigen Prozess gegangen zu sein, es in seiner Gesamtheit zu verstehen?

Dann kam die Arbeit nach dem eigentlichen Schreiben. Das Manuskript und die Ausdrucke wurden x mal korrigiert. Jedes Mal reduzierte sich die Menge der Fehler um geschätzte 95%. Dann wurden die Fotos ausgewählt. Und schließlich stellte sich die Frage, welches Kapitel wir heraus nehmen sollten, um dasjenige über die DDR-Bürger in der ČSSR, das ich als 112. geschrieben hatte, mit dazu nehmen zu können. Zu meiner Überraschung bot der Verlag an, dass wir einfach die Gesamtzahl auf 112 Gründe erhöhen sollten. Ich schlug vor, das Kapitel über das mysteriöse Prag an den Schluss zu setzen. Was könnte sich besser als das 112. von 111 Kapiteln eignen, als das über mysteriöse Dinge.

Eigentlich vermisse ich jetzt schon diese Zeiten, als ich mich mit dem Laptop an den heimischen Küchentisch, in ein Prager Café oder einen Donut-Shop in Japan gesetzt hatte, um stets neu zu erfahren, wie sich aus einer Wolke vager Ideen allmählich ein Text formte.

Aber nun ist das Buch gedruckt, und es ist auf eigenen Schwingen in die Welt hinaus geflogen. Ich habe noch einmal gewunken, aber jetzt will ich lieber nicht hinsehen, ob es nicht in ein Dach kracht oder mit einer Zwille von einem der bösen Dorfjungen abgeschossen wird.


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  1. Dabei wird dann das “Wir” zum Teil sehr widersprüchlich definiert: Im österreichisch-preußischen Krieg liegt das “Wir” in Wien, bei den Hussitenkriegen wiederum ganz und gar nicht.