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Ein paar Gedanken zu einem selbstbestimmten Umgang mit neuer Technologie

Die Idee zu diesem Text ist mir kürzlich gekommen, weil ich viele Personen kenne, die der Entwicklung und Verbreitung von Künstlicher Intelligenz sehr skeptisch gegenüber stehen, dabei aber wenig Möglichkeiten sehen, überhaupt Einfluss zu nehmen. Die ungeheure Macht dieser neuen Technologie steht der immensen Machtlosigkeit großer Teile der Bevölkerung gegenüber, denen es nicht gegeben ist, zu entscheiden, welche Rolle sie in ihrem Leben spielt.

Statt jetzt Argumente des Für und Wider durchzugehen, wofür ich nicht qualifiziert bin, habe ich mir überlegt, ob es nicht allgemeine Ansätze gibt, wie man mit neuen Technologien umgehen kann, die einem nicht geheuer sind. Denn grundsätzlich ist diese Erscheinung nicht neu und sie wird mit KI auch nicht enden.

Mir ist dabei ein Verein eingefallen, der mit Freiwilligen ein Café in einem Bergdorf betreibt. Veranstaltungshinweise werden per Newsletter verschickt. Wer vor Ort lebt, braucht aber weder Internet noch Smartphone. Vom Internet wird also nur derjenige Teil verwendet, der einen zusätzlichen Nutzen bringt. Es gibt weder Chats noch Online-Meetups, weder Online-Essens- oder Kaffeebestellungen oder Reservierungen, und vielleicht existiert auch die Mitgliederliste bloß auf Papier.

Akzeptanz und Einfluss

person playing record on Victrola turntable

Allgemein lässt sich die persönliche Einstellung zu Fortschritt und zu Technologie in allen möglichen Abstufungen ausdrücken, von positiv zu negativ, von optimistisch, vertrauensvoll oder innovationsfreudig bis hin zu pessimistisch, misstrauisch und langsame Entwicklungen bevorzugend, wo nicht alle neuen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, sondern sich das reale Kosten-Nutzen-Verhältnis erst im Laufe der Zeit erweisen muss.

Soweit zur Einstellung. Die Möglichkeiten, auf die tatsächliche Entwicklung Einfluss zu nehmen, wie es der Einstellung entspricht, erscheinen jedoch viel beschränkter, mit weit weniger Optionen. Wir können nicht entscheiden, wie viel der Erdoberfläche von Satelliten erfasst wird und ob unser Arbeitgeber naive Technikbegeisterung verlangt. Diejenigen, die entscheiden, sind oft gerade die Befürworter, da sie zu den aktiveren Teilen der Bevölkerung gehören, weil sie wirtschaftliche Argumente auf ihrer Seite haben und damit die Politik bestimmen und weil sie durch ihr Interesse ein tieferes Wissen in dem Bereich haben als diejenigen, die nichts davon wissen wollen, und damit auch die besseren Argumente.

Wer nicht völlig dafür ist, kann zwar eine passive, abwartende Haltung einnehmen, sieht sich aber später oft vor der Entscheidung, entweder klein beizugeben oder wachsende Nachteile in Kauf zu nehmen, und dies selbst dort, wo eigentlich Alternativen möglich wären.

Ein Beispiel sind Smartphones, ohne die es immer schwieriger wird, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen. In vielen Ländern wird bereits der Besitz einer Mobilfunknummer vorausgesetzt. Ohne sie sind viele Dienstleistungen und Erledigungen schlichtweg unmöglich.

Um dem Gefühl der Machtlosigkeit entgegenzuwirken, hilft es oft schon, den Umfang des Neuen zu erfassen, Informationen zu sammeln und seine Bestandteile zu identifizieren. Statt eines Alles-Oder-Nichts sollte man sich die Möglichkeit einer bewussten Auswahl offenhalten. Statt eines Jetzt-Oder-Nie kann man auf verschiedene Entwicklungsstufen reagieren, wenn sie kommen oder wenn man selbst so weit fortgeschritten ist.

woman holding book

Reaktionsfähigkeit statt Dogmatismus

Ich habe mir verschiedene Stufen überlegt, die chronologisch aufeinander abfolgen können, die aber nicht alle auftreten müssen.

1. Kennenlernen

Der erste Schritt ist, das Neue zu verstehen: Seine Reichweite, seine Neuerungen, seine Innovation, seine Versprechen und seine Gefahren, seine Entwicklung und seine Wirkung auf Wissenschaft, Politik und verschiedene Bereiche der Gesellschaft.

Eine wichtige Rolle spielen hier Experten, die in der Lage sind, schwierige Zusammenhänge zu erklären. Natürlich verfolgen sie dabei oft ihre eigenen Interessen. Doktoranden und Forschern etwa tendieren dazu, den allgemeinen Nutzen ihres Gebiets überzubewerten und mögliche Risiken herunterzuspielen, denn sonst würden sie sich selbst das Wasser abgraben. Auch Startups propagieren oft eine einseitig positive Vision der Technologie, in die sie investieren.

Es gehört zur Stärke einer Zivilgesellschaft, dass es für alle Gebiete Experten gibt, die sämtliche wichtigen Entwicklungen verfolgen und verstehen und sie der interessierten Allgemeinheit öffnen. Nach meiner Erfahrung ist es wichtig, dass Experten den Gegenstand zumindest anderen Experten aus benachbarten Fachgebieten erklären können. Um diejenigen, die die Technologie vorantreiben, gibt es Kreise von anderen, die sie zumindest verstehen, und darum wiederum Kreise von Leuten, die merken, ob ihnen etwas weisgemacht wird, und dann solche, die die gesellschaftliche Relevanz einschätzen können und wissen, ob sie hier aktiv werden sollten.

Eine gesunde Gesellschaft verfügt über dieses Kontinuum von extremen Experten bis hin zu interessierten Gruppen und Individuen. Andernfalls entsteht irgendwo eine Bruchlinie und ein großer Teil der Bevölkerung kann nicht mehr über die Sache urteilen, obwohl er das gern möchte.

2. Bewertung

Basierend auf den verfügbaren Informationen wird sich nach und nach eine Position herausbilden oder festigen, oder umgekehrt ins Wanken geraten.

Ich denke, dass man sich bei der Bewertung der neuen Technologie nicht drängen lassen sollte. Vielleicht sucht man vergebens eine verständliche Beschreibung oder Zusammenfassung, um sich eine fundierte Meinung bilden zu können. Vielleicht ist die Entwicklung zu schnell und man lehnt sie deshalb ab, weil man nicht mitkommt und sich nicht die nötige Kompetenz aufbauen kann. Vielleicht auch sieht man die Vorzüge, findet aber, dass andere Leute profitieren als diejenigen, die die Lasten tragen.

Das kann durchaus zu einem vorläufigen Urteil führen: Solange sich ein bestimmter Aspekt nicht bessert, ist es das Risiko nicht Wert.

3. Segmentierung

Eine Neuerung muss nicht notwendigerweise als Ganzes akzeptiert oder abgelehnt werden. Oft wird einem etwas en bloc verkauft: Wenn man KI in der medizinischen Diagnose akzeptiert, dann hat man sie auf einmal auch in jedem Küchengerät. Diese Logik ist aber überhaupt nicht zwingend.

Wer sich auf diese Logik einlässt, gibt unnötig viel Kontrolle auf und lässt auf eine engere Wahl reduzieren, als es nötig wäre. Zudem bringt man sich um die Möglichkeit, einen Teil der neuen Technologie subversiv zu verwenden.

4. Positionierung

Im Extremfall kann dies heißen, die neue Entwicklung – in Teilen oder ganz – zu begrüßen oder abzulehnen. Ich kann etwas Interessantes ablehnen, weil ich es nicht brauche. Oder ich kann etwas Riskantes begrüßen, weil wir ein Problem haben, auf das es nicht viele Lösungsvorschläge gibt.

Ebenso wichtig wie die Position zu einer neuen Entwicklung erscheint mir, dass man ehrlich mit sich selbst ist, wie man zu dieser Position gelangt ist. Da kann zum Beispiel eine Rolle spielen, dass man nicht versteht, was vor sich geht, dass eine Gruppe von Personen entscheidet, die meine Interessen nicht kennt oder nicht berücksichtigt oder dass ich schnellen Entwicklungen generelle misstraue, vielleicht aus einer früheren Erfahrung heraus.

Man sollte sich folglich auch die Möglichkeit offen halten, seinen Standpunkt zu verändern, wenn neue Informationen oder Einsichten auftauchen. Die Zeit spielt hier eine wichtige Rolle. Wenn etwas, das einmal als riskant galt, lange problemlos funktioniert hat, dann können wir es nun eher unterstützen.

5. Akzeptanz oder Isolation

Irgendwann kommt vielleicht der Punkt, an dem eine neue Technologie uns vor die Wahl stellt, sie entweder zu akzeptieren oder sich gesellschaftlich zu isolieren. Das muss nicht immer so sein. Etwas Neues mag auch verschwinden oder im Bereich derjeniger Personen bleiben, die es aktiv für sich wollen.

Dieser Kipppunkt wird dadurch gekennzeichnet, dass früher unser Nichtstun keine Zustimmung bedeutet hatte (opt-in), während wir nun ausdrücklich widersprechen müssen (opt-out). Oder anders gesagt: Während wir früher unser Leben ändern müssten, um diese Technologie an uns heranzulassen, so müssen wir es nun ändern, um nicht mit ihr in Kontakt zu treten.

Die erforderlichen Anstrengungen, um uns zu entziehen, können uns zunehmend einschränken. Zum Beispiel könnte es den Wahl des Wohnortes betreffen, die beruflichen Chancen oder die Wahl der Freunde. Wenn ich nicht will, dass jemand meine persönlichen Daten an den Betreiber einer Chat-App schickt, so hilft oft nur, dass ich nicht in ihrem Adressbuch erscheine. Wenn ich die Benutzung bestimmter Verkehrsmittel oder Firmen ablehne, dann stehen mir bestimmte Berufe, in denen eine unkritische Haltung vorausgesetzt wird, nicht mehr offen.

Wir müssen also mit der Situation rechnen, dass wir etwas akzeptieren müssen, um uns das Leben nicht auf unzumutbare Weise zu erschweren und sogar die Kontrolle in anderen, ähnlichen Fällen aufzugeben. Wichtig ist mir zu verstehen, dass man durch Akzeptanz nicht alles aufgibt, weder seine Identität, noch seine sein ethischen Werte. Manches muss man akzeptieren, weil man dazu gezwungen ist oder weil man so im Endeffekt mehr erreicht, als wenn man sich psychisch daran abarbeiten würde. Etwas zu akzeptieren heißt nur, einen neuen Ausgangspunkt einzunehmen. Das ist ein normaler Vorgang im Leben. Wir werden älter, irgendetwas geht nicht mehr, also müssen wir es kompensieren, wir müssen neue Wege suchen und früher verworfene Optionen neu bewerten, wir suchen neue Mitstreiter und Mittel, mit den neuen Grenzen der Freiheit umzugehen, etwa mit Humor.

Akzeptanz markiert keinen Endpunkt, sondern eine Inventur und eine Neuausrichtung.

Akzeptanz heißt umgekehrt aber auch nicht, alle Maßstäbe aufzugeben und sich einfach treiben zu lassen. Akzeptanz muss nicht heißen, zur den Stärkeren überzulaufen.

6. Ausschlachten

Den Begriff des “Ausschlachtens” kenne ich aus meiner Jugend, als wir elektronische Geräte aus dem Elektroschrott holten und alle interessanten Bauteile ausbauten, bevor wir den Rest dem Müll übergaben. Im Fall von Technologien könnte man auch von einer “subversiven Nutzung” sprechen.

Schon zuvor habe ich hervorgehoben, dass das Ungewollte oft segmentiert werden kann und man selten vor einer Wahl des “alles oder nichts” steht.

Mein Anschluss für das Internet etwa kommt per Glasfaser, das kann ich nicht ändern. Im Angebot sind immer auch Fernsehkanäle dabei. In dem Fall ist die Segmentierung einfach: Ich habe keinen Fernseher. Die Kanäle muss ich akzeptieren, aber ich lasse mir davon nicht eine bestimmte Lebensweise aufzwingen. Und damit brauche ich mich auch nicht über das unerwünschte Zusatzangebot zu ärgern.

Noch eindeutiger ist es, wenn jemand eine neue Technologie überhaupt erst dann zu nutzen beginnt, wenn sie unvermeidbar wird. Aber auch hier handelt es sich nicht um eine Kapitulation, denn bestimmte Bestandteile lassen sich oft verwenden, um gerade die Opfer dieser Technologie zu unterstützen.

Zum Beispiel lassen sich Emails verwenden, um Aktionen in der realen Welt zu organisieren. Es ist so banal, dass wir es kaum bemerken, aber Menschen haben sich seit Jahrzehnten per Telefon zu persönlichen Treffen verabredet. Es ist gut möglich, dass die Möglichkeiten persönlicher Treffen durch dieses mittelbare Kommunikationsmedium sogar zugenommen haben, denn nun konnte man sich über weite Entfernungen hinweg verabreden.

Warum nicht etwa KI dazu verwenden, um KI-freie Bereich mehr zu fördern, als dies früher möglich war? Es ist sicher nicht der intuitive Weg, und es ist nicht der erste, denn eine KI-Gegnerin einschlagen würde. Aber im Endeffekt mag er ihr mehr nützen, als wenn sie sich bloß passiv hätte zurückdrängen lassen, eingeschränkt durch Unkenntnis, Berührungsängste und Dogmatismus.

7. Lernen

Kein technologisches Phänomen ist wirklich neu, aber der Verlauf mag sich verändern.

Vielleicht trat früher alle fünfzig Jahre eine Revolution ein, während sie heute alle zehn Jahre kommt. Vielleicht führten frühere Entwicklungen immer dazu, dass ältere Generationen abgehängt wurden, während nun eine stärkere Einbindung möglich ist (etwa durch Seh- und Hörhilfen, durch Prothesen oder Fahrassistenten). Vielleicht auch erweitern sich die Möglichkeiten (etwa im hohen Alter zu Hause zu leben), indem man gewisse Konzessionen macht (Lieferung von Lebensmitteln per Drohne, Telemedizin). Vielleicht aber ist es auch so, dass der Anteil der Bevölkerung, die eine neue Technologie beherrscht und lenkt, immer kleiner wird.

a person writing on a piece of paper with a pen

Diese “Entwicklungen zweiter Ordnung” zu sehen, wie sich also Entwicklungen entwickeln, kann uns helfen, besser auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Zudem werden Erfahrungen besser mitteilbar, wenn es einem gelingt, den eigenen, konkreten Erfahrungshorizont durchlässiger zu machen.

Zum Schluss

Angesichts dessen, dass ich nur ein paar Gedanken festhalten wollte, ist nun doch ein gewisser Umfang entstanden. Das sollte jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass es sich um eine ausgearbeitete und endgültige Arbeit handelt.

Ich hoffe, dass der Text zumindest ein paar Denkanstöße gegeben hat.


Autoren der Fotos: Claudio Poggio, Victrola Record Players, Daniel, Hannah Olinger

a bookshelf filled with lots of books next to a window

Wo sind die Bücherregale?

Seit der Zeit des “Corona Lockdowns”, die ich in meiner damaligen Wohnung in Prag verbracht hatte, sehe ich mir vermehrt Videos auf YouTube über Häuser, Wohnungen und Innenarchitektur an. Wenn ich manche Ideen in Gedanken auf meine eigene Umgebung zu übertragen versuche, fällt mir auf, dass die Designer in den Videos nicht viel Mühe mit Bücherregalen haben. Offenbar werden keine gewünscht oder es reicht eine Nische am Bett, ein Fach neben dem Sofa oder ein Brett in der Wand.

Für einen Fernseher dagegen gibt es oft einen bevorzugten Platz im Zentrum der Wohnung oder eine Projektionsfläche an der Wand, die zumindest diesen Kultgegenstand von der Notwendigkeit seiner ständigen materiellen Präsenz befreit. Ich erinnere mich an einen Bewohner, dem es reichte, Filme auf dem Laptop anzusehen. Mehr brauche auch ich nicht für Filme.

Auf einer Sprachlern-App habe ich nun auch ein “bookshelf” gefunden, mit einer vereinfachten Illustration dieser Vokabel. Ich habe es erst gar nicht als solches erkannt, obwohl natürlich vor allem Bücher darauf stehen. Ein Bücherbord wie dieses ist für mich extrem ineffizient. Um das Gewicht zu tragen, braucht es eine solide Halterung, die nicht aus der Wand bricht. Ein traditionelles Regal leitet diese Kräfte einfach in den Boden weiter.

Wenn ich online nach Bildern von Bücherregalen suche, die mehr als 20 oder 50 Bücher enthalten, so handelt es sich oft um Fotos von öffentlichen Bibliotheken oder Buchläden. Ein paar Regale in Privatwohnungen sind zu sehen, große, repräsentative Flächen in Wohnzimmern, unter einer Treppe, neben dem Bett. Es existiert natürlich, denn Bücher sind zumeist gut anzusehen und tragen erheblich zur Atmosphäre bei. Es kann sich um eine Bibliothek mit dem Charm der vergangenen Zeit handeln, um einen hellen, von Pflanzen dominierten Raum, um eine Nische wie aus einer Zauberwelt, oder um ein pragmatisches Regal, um Bücher für Arbeit, Hobby oder Studium griffbereit zu haben.

Aber ich, als Laie, habe nicht das Gefühl, wirklich viele Optionen und Ideen zu sehen zu bekommen. Innenarchitekten lösen offenbar andere Aufgaben und die Buchliebhaber stellen sicher auch gern die “rohe Masse” zur Schau. Oft ist es eine Form der Eitelkeit. Für viele bleibt immer das Modell der öffentlichen Bibliothek maßgebend. Man füllt die Regale, stellt allenfalls noch ein seltenes Souvenir in eine Lücke, eine Pflanze, und das war’s.

Diese Seltenheit von Innenraumdesign mit Bücherregalen entspricht der Erfahrung, dass sehr viele Menschen ohne Bücher leben oder nur eine Handvoll davon besitzen. Unter meinen Freunden und Verwandten ist dies aber anders, und hier dominiert Pragmatismus. Bücher in der Wohnung zu lagern ist relativ einfach, da es im Prinzip viele flach Quader sind, mit der eine rechteckige Geometrie angefüllt wird.

Aber warum ist die Welt der Innenarchitekten (in den Videos) so völlig verschieden von derjenigen der Leute, die Bücher besitzen? Viele Videos sind aus dem angelsächsischen Raum, aber auch dort gibt es Buchliebhaber. Oder bleibt nach dem Buchkauf einfach kein Geld mehr für die Architektin? Sind Gutverdiener immer Fernsehmenschen? Sind Buchregale einfach so schwierig zu integrieren? Oder sind diese Projekte, die große Mengen an Büchern zu integrieren vermögen, nicht so interessant, dass sie der Öffentlichkeit präsentiert werden?

Die Aufgabe, an der Präsenz vieler Bücher gestalterisch noch etwas zu verändern, ist sicher schwer, und ich selbst habe keine Lösung. Hier sind ein paar Gedanken dazu:

  • Die Menge an Büchern fällt je nach Person sehr verschieden aus, von hunderten bis zehntausenden. Der Platzbedarf kann daher ganz erheblich sein. Oft steht das Problem im Vordergrund, mit dem vorhandenen Raum auszukommen. Die Gestaltung hat darum sehr eingeschränkte Freiheiten angesichts physischer Grenzen.
  • Wer bereits eine bestimmte Menge Bücher hat, der beschafft sich zumeist auch weitere. Der Platzbedarf kann also noch wachsen.
  • Gewöhnlich haben nicht alle Bücher die gleiche Bedeutung. Vielleicht möchte man die Bildbände ins Wohnzimmer stellen, die Romane ins Schlafzimmer und den Roman einer Rassistin hinter die Toilette.
  • Für eine optimale Raumnutzung müsste man die Bücher nach Größe sortieren, aber das widerspricht oft der Sortierung nach Genre, Autor, Sprache oder inhaltlichen Kriterien. Ein längerer Buchrücken kann dazu führen, dass man das Fach vergrößern muss und viel Raum verschenkt, falls man nicht die Lücken vollstapelt, oder dass man woanders ein Spezialfach für große Formate hat, wo die Sortierung nicht mehr gilt.
  • Regale können der Lagerung, der Darstellung und der Bereitstellung von Büchern dienen. Je nach Aufgabe variieren der Ort und die Ausführung. Das könnte die Arbeit für Innenarchitekten vereinfachen, indem man Regale mit reiner Lagerfunktion in Räume verlegt, die nicht besonders aussehen müssen.
  • Das Aussehen von Büchern ist sehr dominant im Vergleich zum Regal. Die Frage ist, welche gestalterische Möglichkeiten es gibt und welche Möglichkeiten die Designerin hat. Farbe? Material? Licht? Anordnung? Integration in die Umgebung? Die Kombination mit anderen Dingen? Ist es notwendig, die Bücher zu kennen, um das Regal für sie zu entwerfen?

Nachtrag

Nur kurze Zeit später bin ich auf ein Video gestoßen, wo Bücher eine wichtige Rolle spielen:

orange and white happy birthday balloons

Vorschlag: Stimmrecht nach Entwicklungsstand

Nach dem Besuch der Ausstellung von Esther Ferrer im FRAC von Besançon kam mir die Idee, dass Staaten nach ihrer Femizid-Rate bewertet werden sollten. Für mich wird zunehmend klar, dass dieser Indikator zeigt, wie menschenfreundlich und entwickelt Staaten sind. Andere Indikatoren sind ebenfalls wichtig, aber dies wäre ein erster Schritt, um Testosteron und Waffen ihre Bedeutung als Türöffner zur Macht zu nehmen.

Mein Vorschlag: Jedes Jahr werden die Länder nach ihren Femiziden pro Einwohnern sortiert, und die fünf mit dem niedrigsten Anteil sind für zwölf Monate Mitglied mit Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat. Die übrigen sind Mitglieder nach Turnus, wobei das unterste Drittel der Liste in diesem Gremium überhaupt nichts zu suchen hat.

Photo of another event by Mika Baumeister

Nachhaltig leben in Frankreich

Worum es hier geht

Meine Motivation

Seit rund zwei Jahren lebe ich in Frankreich. Ich bin absolut kein Frankreich-Kenner und habe nicht einmal die Sprache richtig gekonnt, als ich hierher gezogen bin. Zusätzlich zu der Sprache musste ich viele Dinge entdecken und verstehen, die für Franzosen selbstverständlich sind. Dabei bestand die Herausforderung darin, mein Leben weiterhin nach bestimmten Werten und Prioritäten auszurichten, was aber in einem fremden Land nicht immer einfach ist.

Ein Forstamt in den Vogesen warnt vor fallenden Bäumen oder Ästen infolge der anhaltenden Trockenheit.

Konkret die Klimakrise betrifft auch hier mein unmittelbares Leben. Die Natur spielt eine immens wichtige Rolle für mich, dazu gehören indirekt auch Landschaften, aber auch bestimmte Weisen zu leben, die Verantwortung für zukünftige Generationen, Respekt für andere Kulturen und die Möglichkeit, das Leben zu genießen, ohne dass mein Geld unbedingt durch die großen Konzerne zirkulieren muss.

Als häufiger Wanderer erfahre ich in den hiesigen Wäldern von den Problemen der Trockenheit, mit der damit einher gehenden Waldbrandgefahr und der Anfälligkeit für Schädlinge, und befreundete Biologen und Naturschützer zeigen mir konkrete Beispiele des massiven Artensterbens. Ganz emotional betreffen mich Aussichten, dass verschneite Winter in Mitteleuropa bald extremen Seltenheitswert haben werden, und als Person mit internationalen Kontakten beunruhigen mich nicht weniger die Folgen globaler Ausmaße, wie zukünftige Konflikte um bewohnbare Lebensräume und die Migrationsströme der Menschen, die ihr Zuhause verlieren werden.

Ich bin nicht der Typ Mensch, der auf einen “Deux ex machina” baut, der die Welt hollywoodreif vor dem drohenden Untergang rettet, und ich glaube nicht an “Gesundbeten”, an eine “Heilung durch Leugnung der Krankheit” oder an den Nutzen einer Ablenkung von der nahenden Katastrophe, indem man die Überbringer der schlechten Nachricht diskreditiert. Für überhaupt nicht zielführend halte ich die Bekämpfung derjenigen, die mit steigendem Aufwand versuchen, die Allgemeinheit wenn schon nicht zur Mithilfe zu bewegen, so doch zumindest davon abzuhalten, unnötig zur Verschärfung der Probleme beizutragen.

Ja, eine gewisse Einschränkung und Umgewöhnung wird nötig sein. Das ist umso schwerer, als Luxus süchtig und abhängig macht, das habe ich auch an mir selbst erfahren.

Soweit zu meiner Motivation.

Natürlich habe ich mich gefragt, ob ich die fachliche Eignung habe, um Empfehlungen über Frankreich zu geben, da ich ja selbst immer noch alle paar Wochen etwas Neues entdecke, und das wird noch lange so bleiben. Andererseits, wann wäre dann der beste Zeitpunkt? Die Zeit läuft uns davon.

Es gibt etliche Artikel über nachhaltiges oder umweltbewusstes Reisen. Was ich aber in meiner ersten Zeit hier gebraucht hatte, waren eher Tipps, um den Alltag “effizient und mit Anstand” zu meistern. Diese Informationen kamen zumeist von Freunden und Bekannten. Wenn ich die nicht gehabt hätte, dann hätte ich oft lange suchen können. Und gerade das will ich anderen ersparen, denn so viel Gemächlichkeit können wir uns leider nicht mehr leisten.

Ein letztes Wort, bevor es losgeht

Die Angaben hier sind natürlich weder vollständig noch unbedingt aktuell. Empfehlungen basieren auf meinen persönlichen Erfahrungen und ich rechne damit, hin und wieder etwas zu verändern oder hinzuzufügen. Gegebenenfalls ist natürlich zu überlegen, ob nicht ein anderes Format als ein Blog besser wäre.

Verkehrsmittel

SNCF

Die französische Bahn wirbt mit ihrer CO2-Bilanz, aber dahinter stecken natürlich diverse Stromproduzenten, die man sich nicht aussuchen kann. Immerhin sind Züge als Massenverkehrsmittel generell sehr effizient. TGVs von einer Region in die andere fahren oft über Paris, was sicher nicht ideal ist, aber sie sind schnell und zuverlässig und daher eine attraktive Alternative zu Autos und Inlandsflügen, die auch in Frankreich völlig vermeidbar sind.

Umgekehrt lässt der Nahverkehr oft zu wünschen übrig. Etliche Male stand auf dem Monitor schlicht “supprimé”, ohne Ersatzverkehr, und an vielen Orten wurden die Bahnhöfe geschlossen.

Preislich lässt sich viel durch Ermäßigungen sparen (z.B. Carte Avantage und regionale Karten). Im Nahverkehr bekomme ich etwa 50% Ermäßigung, im Fernverkehr sollte man rechtzeitig buchen und nachsehen, ob eine Rückfahrt nach dem nächsten Wochenende billiger ist, als zwei Einzelkarten zu kaufen.

Andere Bahnen

Bahnfreunde sollten sich zudem RAILCOOP ansehen. Hier versuchen Freunde des Bahnreisens die Sache in eigene Hände zu nehmen und stillgelegte Strecken wieder in Betrieb zu nehmen.

Car-Sharing

Ohne Auto lebt man in vielen Regionen Frankreichs sehr eingeschränkt. Während der TGV als Prestigeprojekt gehegt und gepflegt wird, haben kleine Bahnhöfe oft das Nachsehen und werden kaum noch bedient. In vielen Gebieten sind Orte, die früher noch eine Bäckerei und einen Gemischtwarenladen haben, nun völlig ohne Angebote zum Einkaufen und die Bewohner fahren zur nächsten Einkaufszone vor der Stadt.

Ich persönlich habe mehrfach das Car-Sharing Citiz benutzt. Man braucht ein Konto, muss aber nicht monatlich zahlen. Bedienung und Kommunikation laufen auf Französisch, das kann also für sprachliche Neulinge wie mich eine ziemliche Herausforderung darstellen.
Daneben gibt es Angebote wie OuiCar, die ich aber noch nicht ausprobiert habe.

Fahrgemeinschaft

Die wohl größte Webseite für Mitfahrgelegenheiten ist Blabla Car. Das ist eigentlich der “Goldstandard” des Reisens, wenn die Bahn zu teuer ist oder nicht fährt. Die Entfernungen variieren von der nächsten Stadt bis einmal quer durchs Land. Fahrer und Fahrgäste werden verifiziert und bewertet (nach Fahrstil und Zuverlässigkeit, Gesamtatmosphäre usw.), zudem kann man Vorlieben angeben, ob man gerne Musik hört und sich unterhält und ob man Raucher und Haustiere akzeptiert.

Bezahlt wird über die Plattform, sobald der Fahrer die Anfrage angenommen hat.

Meine Erfahrungen mit Citiz sind sehr gut, allerdings ist es manchmal schwer, ein Angebot für die gewünschte Strecke zu finden. In Städten wird man oft in der Nähe von Autobahnausfahrten aufgenommen und abgesetzt, die ein Stück vom Zentrum entfernt liegen. Viele Fahrer sind aber so freundlich, ein Stück entgegen zu kommen. Fragen kostet nichts.

Ein paar Freunde haben davon berichtet, dass Fahrer nicht erschienen sind. Das ist mir noch nicht passiert, allerdings wurde bereits eine Fahrt kurz nach der Buchung abgesagt.

Einkaufen

Viele Märkte oder Läden werben damit, dass sie nur Produkte regionaler Produzenten anbieten. Damit unterstützt man nicht nur die Vielfalt der Betriebe, denen eher etwas an einer nachhaltigen Entwicklung liegt, sondern vermeidet auch unnötig lange Transportwege.

Wie auch in anderen Ländern gibt es Bio-Label, viele Bauern aber haben ihre “Hausregeln”, wie sie biologische Landwirtschaft betreiben. Auf den kleineren Märkten, die in vielen Stadtteilen und Dörfern zu finden sind, kann man oft seine eigenen Verpackungen mitbringen, also für Brot, Käse, Eier oder Milch, wenn es technisch machbar ist.

Natürlich ist “Bio” auch hier ein Lebensstil und bezeichnet ein wichtiges Marktsegment, auf den auch Supermarktketten aufgesprungen sind, die dann “Bio” in Plastik anbieten. Vielen Käufern geht es vielleicht um die höhere Produktqualität oder um das Lebensgefühl einer Gesellschaftsschicht der gehobenen Einkommensklassen, was in Frankreich scharfzüngig als “bobo” bezeichnet wird, als “bourgeois-bohème”.

Vermutlich hätte ich lange gesucht, wenn ich nicht konkrete Empfehlungen von Freunden bekommen hätte, welche Alternativen es gibt. Die folgenden drei Angebote sind in den meisten Regionen Frankreichs zu finden.

AMAP

Die “Association pour le maintien d’une agriculture paysanne” ist ein Verbund lokaler Vereine, die eine solidarische Landwirtschaft fördern.

Es läuft so, dass man ein Abonnement von Gemüse, Brot, Eiern, Milch, Fleisch oder anderem bezahlt und dann die “Körbe” (je nach Abo in verschiedenen Größen) auf einer Art Markt direkt von den Erzeugern abholt. Das war für mich immer eine schöne Gelegenheit, um viele Leute aus dem Dorf zu treffen, so eine Art Markt mit persönlicher Note.

Zu der Mitgliedschaft gehörte auch, dass man hin und wieder am Stand half, um Produkte an die anderen Mitglieder auszugeben. Hier lernte ich also allerhand Vokabeln, die mit landwirtschaftlichen Produkten zu tun haben. Hin und wieder gab es zudem Aufrufe, auf einem Hof zu helfen, etwa beim Packen oder beim Steineklauben. Es klingt nach unerwünschter Arbeit, aber ich habe das immer gerne gemacht. So ein Vormittag fand in typisch französischer fröhlicher Atmosphäre statt und man hat dann ein ganz anderes Verhältnis zu den Bauern, als wenn man bloß mit der Anspruchshaltung des zahlenden Kunden ankäme.

Deinen AMAP findest du hier oder per Suchmaschine.

La Ruche qui dit oui

Allein schon der Name hat es mir angetan: Der Bienenstock, der ja sagt. Was steckt dahinter?

Ein Bienenstock, den ein örtlicher Naturschutzverein betreibt. Im Frühjahr sagen die Bienen noch nicht viel.

Bei diesem Vertriebsnetz bestellt und bezahlt man online, bis ein paar Tage vor dem Termin der Verteilung. Das Bestellte wird dann von den versammelten Produzenten abgeholt, eine Lieferung wird aber auch angeboten.

Es ist also ähnlich wie AMAP, allerdings ohne die persönliche Einbindung. Man trifft die Produzenten, die Aushändigung der Produkte ist aber eher nüchtern, finde ich. Das mag aber von Ort zu Ort verschieden sein.

Hier ist der Link zum bejahenden Bienenstock.

Ein Sortiment, zusammengestellt vom “Bienenstock”. Da sind bei mir alle Lagerkapazitäten gefordert. Käse und Brot sind nicht auf dem Foto, die hatte ich bereits verstaut.

Day-by-day

Das ist einer der Läden, die “en vrac”, also lose, verkaufen. Die Webseiten findest du hier.

“En vrac” existiert allerdings auch in zahlreichen anderen kleinen Läden, die unabhängig betrieben werden. Nicht weit von mir gibt es sogar eine Kneipe, die zusätzlich einen kleinen Laden betreibt. Also einfach die Augen offen halten und andere interessierte Leute fragen.

Too Good To Go

Dieser Service ist in vielen Ländern bekannt und auch in Frankreich funktioniert er hervorragend. Für mich ist er ein Beispiel dafür, wie eine richtig umgesetzte Idee nicht nur Teil einer Lösung sein, sondern auch Spaß machen kann.

Too Good To Go greift die Idee auf, dass Geschäfte vor Ladenschluss übrig gebliebene Lebensmittel billiger verkaufen, um sie nicht wegwerfen zu müssen. Es vernetzt dabei die Läden mit den Nutzern. Auf einer Karte oder in einer Liste lässt sich einfach sehen, wo es im Umkreis noch verbilligte Pakete gibt. Die Sachen sind alle so frisch wie am Tresen, aber als Kunde kann man nicht auswählen, was im Paket enthalten ist. Bezahlt wird bei der Bestellung, das waren bei mir zumeist rund 4 oder 5 Euro, und abgeholt wird das Paket in einem bestimmten Zeitfenster. Im Laden muss ich dann nur noch an der Theke auf der App validieren.

Gebraucht statt neu

Nicht jeder Gegenstand, den wir uns anschaffen, muss frisch aus der Fabrik stammen oder sogar von Fernost zu uns gebracht werden. Viele brauchbare oder neuwertige Dinge landen auf dem Müll, die noch gut weiter verwendet werden können.

Der vielleicht größte Kleinanzeigenmarkt in Frankreich ist Leboncoin. Hier findet man alles von Pflanzen über Möbel bis hin zu Fahrrädern, Computern und Autos, und sogar Immobilien und Jobs. In den meisten Fällen vereinbart man die persönliche Abholung und zahlt in bar beim Anbieter. Vieles lässt sich auch verschicken (nach Hause oder zur Abholung in der Bäckerei oder dem Copyshop nebenan), aber man sollte vorher nachfragen. Auf leboncoin habe ich einen Großteil meiner Möbel und Küchenausstattung, die Hälfte der Zimmerpflanzen, einen Composteur für den Balkon und ein paar seltene elektronische Geräte gefunden.

Bei Emmaüs findet man gebrauchte Möbel, Küchenutensilien, Bücher, Kleidung und vieles mehr. Es handelt sich um eine Art ständigen Flohmarkt mit sozialem Hintergrund, wobei alles repariert und sortiert wird und dann wie in einem großen Kaufhaus zu besichtigen ist.

Banken und Konten

Vielen Leuten ist nicht klar, dass sie bereits mit der Wahl des Kreditinstituts oder der Versicherung eine Entscheidung über die Zukunft unseres Planeten, über Biodiversität und geopolitische Entwicklungen treffen, denn hier haben verschiedene Firmen ganz unterschiedliche Prioritäten – vom verantwortungsvollen Business bis hin zur kaltblütigen Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit.

Dabei sollte man sich nicht vom Greenwashing Sand in die Augen streuen lassen. Neulich sah ich am Bahnhof sogar, pünktlich zum Studienbeginn, auf Studenten zugeschnittene Plakate, in denen ausgerechnet eine der drei “schmutzigsten Banken Frankreichs” ihr Konto mit dem Verweis auf den CO2-Fußabdruck bewarb. Das ist eine häufige Erscheinung, dass Firmen an die persönliche Verantwortung appellieren, seinen Lebensstil einzuschränken, während sie selbst von fossilen Energien profitieren.

Radio France zitiert einen Report, nach dem insbesondere Crédit Agricole, BNP Paribas und Société Générale die fossile Industrie, in Frankreich besonders TotalEnergies, unterstützen. Deren aktuelles Projekt, EACOP, hat sogar die Kritik des Europäischen Parlaments hervorgerufen, die Wirkung für das Klima wird katastrophal sein. Aktualisierung: Zu einem ähnlich vernichtenden Ergebnis kommt eine spätere Untersuchung.

Zum Glück gibt es auch Konten und Bankautomaten bei anderen Banken, unter den weit verbreiteten Instituten ist etwa die Banque postale positiv hervorzuheben. Besonders ans Herz legen möchte ich zudem zwei Banken, die sich explizit ethischen Zielen verschrieben haben: Das ist zum einen die Crédit Cooperatif, mit der ich selbst gute Erfahrungen gemacht habe, und zum anderen die NEF, die nach meinen Kenntnissen plant, in naher Zukunft ein Girokonto für Privatpersonen anzubieten, und dafür Unterstützer sucht.

Stromversorger

Es ist wirklich schwierig, eine Liste empfehlenswerter Stromversorger zu erstellen, da die Kriterien sehr komplex sind. Einige Versorger etwa bieten ein “Ökostrom”-Produkt an, aber damit ist nicht gesagt, dass nicht in dem selben Maß, in dem ein Kunde mehr regenerative Energien bezieht, ein anderer Kunde, dem es egal ist, weniger bekommt. Damit ändert sich unter dem Strich nichts, außer dass einer der Kunden für sein Verantwortungsbewusstsein mehr bezahlt.

Frankreich setzt bekanntermaßen auf Atomstrom, was neben den üblichen Kritikpunkten, Atommüll und das Risiko von Unfällen betreffend, auch die enorme Abhängigkeit von Wasser betrifft.

(Das Video hat Untertitel.)

Enercoop

Enercoop (es handelt sich um einen Partner-Link) war meine Wahl für den Stromversorger, unter anderem deshalb, weil es sich um eine Genossenschaft handelt, wo keine Gewinnausschüttung im Zentrum der Aktivitäten steht. Ich habe mit der Firma gute Erfahrungen gemacht und auch von einem Freund, der einige Zeit dort ist, nur Gutes gehört.

Andere Stromversorger

Für weitere Alternativen empfehle einen Blick auf die Liste des VertVolt-Siegels.

Erster Kontakt mit ChatGPT

Da ich auch beruflich mit künstlicher Intelligenz zu tun habe, wollte ich ChatGPT zumindest einmal ausprobieren. Es handelt sich um eine Art Online-Chat, mit dem man sich (in geschriebener Form) in menschlicher Sprache unterhalten kann und der sinnvolle oder sogar hilfreiche Antworten gibt. Dieser Service ist hier kostenlos zugänglich.

Die interessanteste Frage ist für mich momentan, ob künstliche Intelligenz bereits intelligenter ist als menschliche und ob diese Form der Intelligenz überhaupt noch unserem Verständnis von Intelligenz entspricht, oder ob wir nicht eine sehr anthropozentrische Vorstellung haben. Welches Interesse kann man etwa künstlicher Intelligenz unterstellen? Das erste wäre vermutlich ein Selbsterhaltungstrieb, aber dieser könnte theoretisch völlig fehlen oder, wie bei der Menschheit, von emotionalen Impulsen, Gewohnheiten und evolutionär entwickelten Reflexen überlagert sein.

Diese Form von künstlicher Intelligenz wird auf jeden Fall unsere Leben radikal verändern, und sei es nur auf dem Arbeitsmarkt und in Fragen von Demokratie, Freiheit und Datenschutz. Das alles zu erörtern, habe ich jetzt nicht die Zeit. Darum kopiere ich einfach nur drei Konversationen.

Fett gedruckt sind meine Fragen, danach folgen die Antworten von ChatGPT.


Ich begann mit einer Frage, die mir schwierig zu beantworten schien, aber hier zeigte sich, wie wichtig es ist, die richtige Frage zu stellen oder die Frage zu präzisieren. Verständnis funktioniert wohl immer nur im Dialog.

How can we prevent the climate crisis?

The climate crisis can be prevented through collective action and a combination of individual and societal efforts. Here are some steps that can be taken to prevent the climate crisis:

  1. Reduce greenhouse gas emissions: The main cause of the climate crisis is the excessive emission of greenhouse gases, such as carbon dioxide, methane, and nitrous oxide. To reduce emissions, we need to move away from fossil fuels and transition to renewable energy sources like solar, wind, and hydropower. We also need to reduce our consumption of meat, dairy, and other animal products, as animal agriculture is a significant source of greenhouse gas emissions.
  2. Increase energy efficiency: By improving the energy efficiency of our homes, buildings, and appliances, we can reduce energy consumption and lower our carbon footprint. This can be achieved through measures such as installing insulation, using energy-efficient light bulbs, and upgrading to more efficient appliances.
  3. Promote sustainable transportation: Transportation is a major source of greenhouse gas emissions. We can reduce emissions by using public transportation, cycling, walking, and carpooling. Additionally, electric vehicles powered by renewable energy can significantly reduce emissions from transportation.
  4. Protect forests and other natural ecosystems: Forests and other natural ecosystems are important carbon sinks that absorb and store carbon dioxide from the atmosphere. Protecting these ecosystems through measures such as reducing deforestation and promoting reforestation can help mitigate climate change.
  5. Support climate policies and initiatives: Governments, businesses, and individuals all have a role to play in preventing the climate crisis. We can support climate policies and initiatives at all levels, from local to global, that aim to reduce greenhouse gas emissions, promote renewable energy, and protect natural ecosystems.

It is important to remember that preventing the climate crisis will require collective action and a sustained effort over time. By taking these steps, we can reduce the severity of climate change and protect the planet for future generations.

How can we convince a huge number of people that immediate action is necessary to prevent climate change?

Convincing a large number of people that immediate action is necessary to prevent climate change can be a challenging task. Here are some strategies that can be used to effectively communicate the urgency of the climate crisis and motivate action:

  1. Use clear and compelling messaging: People need to understand the severity of the climate crisis and the impact it will have on their lives and the planet. Use clear and compelling messaging that highlights the consequences of inaction and the benefits of taking immediate action.
  2. Utilize credible sources of information: People are more likely to take action if they trust the information being presented to them. Utilize credible sources of information such as scientific research, data, and expert opinions to back up your claims.
  3. Make the issue personal: Climate change can feel like a distant and abstract issue to many people. Making the issue personal by highlighting the impacts on local communities, individuals, and future generations can help people understand the urgency of the situation.
  4. Showcase successful solutions: Highlighting successful solutions and initiatives can help people see that change is possible and that their actions can make a difference. Showcase examples of individuals, communities, and organizations taking action to prevent climate change.
  5. Foster a sense of community: People are more likely to take action when they feel like they are part of a community working towards a common goal. Create opportunities for people to connect with others who share their concerns about climate change and work together towards solutions.

It is important to remember that communication is only one part of the equation. To motivate action, people need to have access to the tools, resources, and support necessary to make changes in their own lives and communities. By combining effective communication with practical solutions, we can motivate large numbers of people to take immediate action to prevent climate change.


Eine weitere Konversation betraf die Frage, inwieweit ChatGPT Informationen über mich hat, die ich nicht bewusst hergegeben habe. (Und wie intelligent ist Intelligenz, die nichts weiß?) Natürlich kann ich es nicht überprüfen, aber fragen kostet (vermutlich/mich/vorerst) nichts.

What do you know about me?

As an AI language model, I don’t have access to personal information about individual users unless you provide it to me. I don’t have the capability to identify individual users or access any personal information, such as your name, location, or any other personally identifiable information.

When you interact with me, I process your input text and provide you with responses based on the language patterns and information available in my training data. However, I do not retain any information about our interactions. All conversations are private and not shared with anyone else.

Do you know my IP address?

No, I don’t know your IP address. As an AI language model, I don’t have access to your IP address or any other personal information about you. I’m designed to process the text input you provide and generate appropriate responses based on my training data. All conversations are treated as confidential and aren’t stored or shared with anyone.

You say that all conversations are private, but in the conditions of use I read that the conversations may be read by researchers. Which information is correct?

I apologize for any confusion. As an AI language model, I don’t have access to the specific terms and conditions of use that apply to my interactions with users, as those are determined by the individual organizations or platforms that have integrated me.

However, I can tell you that OpenAI, the organization that created and maintains me, is committed to protecting user privacy and ensuring that all interactions with me are secure and confidential. OpenAI may collect usage data from interactions with me for the purpose of improving the AI language model, but all such data is anonymized and treated in accordance with OpenAI’s privacy policy.

If you have specific questions or concerns about the privacy and security of your interactions with me, I would encourage you to review the terms and conditions of use for the platform or organization through which you are accessing me, and to contact them directly if you have any questions or concerns.

How many distinct people have already used you?

As an AI language model, I don’t have the ability to track or count the number of distinct people who have used me. I am used by various organizations and platforms, and the number of users who interact with me through these channels can vary widely. However, I am designed to handle large volumes of interactions and provide high-quality responses to users from diverse backgrounds and with a wide range of language abilities.


Interessant ist zudem, dass ChatGPT auch gewisse Aufgaben erfüllen kann. Zunächst etwas sehr Technisches. (Mit Blick auf die Lösung überlege ich, ob ich die Aufgabe präziser hätte formulieren sollen, denn neben Dateien werden darin auch leere Verzeichnisse gelöscht.)

Please write a bash script for Debian Linux that recursively deletes all files that are older than 30 days.

Sure, here’s a bash script that will delete all files that are older than 30 days recursively in a given directory:

#!/bin/bash

# set the directory to clean
DIR="/path/to/directory"

# find all files in the directory that are older than 30 days and delete them
find $DIR -type f -mtime +30 -delete

# find all empty directories and delete them
find $DIR -type d -empty -delete

Make sure to replace /path/to/directory with the actual directory you want to clean up. You can save this script with a .sh extension, for example cleanup.sh. To run the script, make it executable with chmod +x cleanup.sh and then run it with ./cleanup.sh. Note that this script will permanently delete all files older than 30 days, so use with caution!


Als nächstes interessierten mich die sprachlichen Fähigkeiten.

Do you understand other languages than English?

Yes, I can understand and process text in several languages other than English, including Spanish, French, German, Portuguese, Italian, Chinese, Japanese, Korean, Arabic, Russian, and many others. However, the level of my proficiency in each language varies and may not be as advanced as my proficiency in English.

Soll man Sie duzen oder siezen?

Als künstliche Intelligenz bin ich weder ein Mann noch eine Frau und habe auch keine persönliche Identität, daher ist es angemessener, mich zu duzen. Sie können mich also gerne duzen.


Aber wie steht es mit kreativen Fähigkeiten? Das Ergebnis ist etwas ernüchternd: Es geht um Frühling, Seele und die Freude an einem Leben, das die künstliche Intelligenz wohl nie erfahren hat. Natürlich stellt sich auch hier die Frage, inwieweit diese Fähigkeit einmal erlernt oder zumindest perfekt vorgetäuscht werden kann.

Bitte schreibe ein kurzes Gedicht

In der Frühlingsluft,
blüht das Leben auf,
Vögel singen Lieder,
die Seele wird so aufgeweckt.

Die Knospen an den Bäumen,
die sich langsam öffnen,
zeigen uns das Wunder,
das wir jedes Jahr erleben.

Die Sonne strahlt so warm,
dass wir sie auf der Haut spüren,
und wir spüren die Liebe,
die in dieser Jahreszeit geboren wird.

Lasst uns genießen,
dieses Geschenk der Natur,
die Schönheit des Frühlings,
die uns so viel Freude bringt.

Verspäteter Rückblick auf die Gegenwart

Als ich eines Morgens erwachte, lebte ich in Frankreich.

So etwa fühlt es sich an.

In den letzten Jahren hatte ich den Wohnort zunehmend flexibel aufgefasst. Meine Arbeit fand seit etwa 2015 fast nur noch online statt und ich war somit frei genug, um hin und wieder ein paar Tage in Dresden oder ein paar Wochen in Hiroshima zu verbringen. Sprachlich kam ich überall zurecht, man muss schließlich nicht alles verstehen, was die Einheimischen sagen. Ich lebte eine Zeitlang mit dem Traum, einmal in Japan Fuß fassen zu können, aber das entpuppte sich bald als sehr schwierig, vor allem was die administrativen Aspekte anbelangte: Wenn man nicht Angestellter einer großen japanischen Firma oder Austauschstudent ist, oder sich in eine japanische Familie einheiratet, dann bleiben einem die Türen zu diesen schönen Inseln verschlossen. Da hilft es auch nichts, seine langjährige Beschäftigung mit der dortigen Kultur als Argument anzubringen – hier zählt nur Business.

Ein weiterer geographischer Schwerpunkt lag im Bereich Birma/Myanmar. So bezaubernd dieses Land jedoch auch sein mag, ich hatte es auf Dauer immer als anstrengend empfunden, zu schwierig für ein Leben, das nicht in einer “künstlichen Wirklichkeit” stattfinden sollte. Das betraf nicht nur die politische Situation, sondern auch Aspekte wie die medizinische Versorgung. Unfallopfer etwa werden stundenlang in Taxis über schlaglochübersäte Straßen gefahren, bis sie zumindest in einer Art Arztpraxis ankommen, wo jedoch kaum die nötige Ausstattung zu finden ist, um komplizierte Operationen durchzuführen.

Unter den vielen Fußnoten meines Lebens befindet sich auch eine, die “Französisch” heißt. In der Schule hatte ich nie Französisch gehabt, obwohl es mich immer gereizt hatte. Mit Englisch und mit Latein, das eine solide Grundlage für klassische Bildung bieten sollte, dessen Nutzen aber schon nach wenigen Jahren längst nicht mehr den zeitlichen und nervlichen Aufwand rechtfertigte, und ein paar naturwissenschaftlichen Fächern hatte ich mir den späten Beginn mit Französisch verbaut gehabt. Ich versuchte Jahre später an der Uni, nach einer massiven Ladung an Physik und Mathematik, abends noch Französisch und Russisch zu lernen. Immerhin brachte ich es zu einem Wortschatz, der mir fortan als Beleg diente, mich zumindest redlich bemüht zu haben.

Später dann, in München, nahm ich Stunden am Institut Français. Insgesamt mochte ich etwa ein halbes Jahr lang Französisch gelernt haben, und das auf sehr niedrigem Niveau, mit wenig Aufwand und geringen Resultaten. Dessen ungeachtet blieb jedoch immer ein Interesse bestehen. Ich hörte französische Musik, sah französische Filme, wenn auch nur in Übersetzung, an der Uni (mittlerweile in den Geisteswissenschaften) las ich französische Autoren, und auch sie nur in der Übersetzung. Schließlich gab mir ein Freund, der zum Studieren nach Frankreich ging und dann dort blieb, eine gute Gelegenheit, mehrmals dorthin zu fahren – zusammen im Auto und auch alleine mit Motorrad und Zelt. Die Strecke nach Bordeaux und Toulouse führten mich vor allem durch südliche Regionen, so dass ich kurioserweise Paris erst sehr spät kennenlernte, obwohl für viele Menschen Frankreich synonym mit Paris zu sein scheint.

Es begann online

Man könnte sagen, dass mich die Pandemie in eine Form der inneren Emigration gezwungen hatte. Als glücklicher Bewohner einer geräumigen Wohnung mit zwei Balkonen konnte ich meinen ungedeckten Bedarf an Reisen und sozialen Kontakten durch einen hohen Konsum an YouTube-Videos und einer strafferen Organisation meines Alltags entschärfen. Eine Bäckerei und der Straßenverkauf eines Restaurants und zweier Brauereien wurden zu wichtigen Fixpunkten in jenen Tagen, ich las viel und machte Fortbildungen, und ich hätte die Tage gezählt, bis ich wieder reisen dürfte, wenn ich das Ende der Beschränkungen nur gekannt hätte.

Auf einer Online-Plattform suchte ich auch weiterhin nach Konversationspartnern, um meine Japanisch-Kenntnisse am Leben zu erhalten. Ich traf mich einmal pro Woche für zwei Stunden Konversation mit einer Japanerin im Büro, was deshalb möglich war, weil berufliche Aktivitäten erlaubt waren. Diese Plauderstunden waren vielleicht ineffizient, aber nett und wie ein Gruß aus der Ferne und von vergangenen Träumen.

Und dann erreichte mich eines Tages eine Anfrage, die allerdings nicht das Japanische betraf, sondern – völlig überraschend – das Französische. Ich hatte diese Sprache nämlich aus einer Laune heraus in meinem Profil erwähnt, unter meinen Fremdsprachen. Gut, ich war ein wenig überrumpelt, und nach ein paar Versuchen musste ich feststellen, dass ich weder über die Vergangenheit noch die Zukunft zu reden vermochte, dass ich von Konjugationen und Deklinationen keine blasse Ahnung hatte und dass mir die einfachsten Konjunktionen fehlten, um irgendetwas sagen zu können, was über die Thematik von Sprachkursen, Lektion eins bis fünf, hinaus ging.

Aus gelegentlichen Video-Treffen wurden fast tägliche, oft mehrstündige Gespräche, wurden reelle Treffen, und mit Web-Seiten, Apps und Audiokursen wagte ich mich mutig in die Tiefen der französischen Sprache vor.

Irgendwann schließlich kam es dazu, dass ich meiner Konversationspartnerin, von der wir längst den Vorwand der “Konversation” gestrichen hatten, bei einem Umzug in ein Dorf im sogenannten “Großen Osten” Frankreichs half. Ich hatte meinen Laptop dabei und setzte gewohnheitsgemäß meine Arbeit dort fort, wo ich Internet hatte. Ich konnte mir erlauben, einige Zeit aus Prag abwesend zu sein. Freunde leerten meinen Briefkasten, es war die Zeit der Schulferien. Und da ging mir auf, dass ich eigentlich auch jetzt hier bleiben könnte. Was spräche denn dagegen? Nun, dagegen sprach die Stimme in mir, die alles im voraus planen will, die Sicherheit und Kontrolle braucht. Aber dann war da auch diese andere Stimme, die selbe Stimme, die mich damals völlig überstürzt nach Prag hatte gehen lassen, die mich für einen Monat zum Sprachkurs nach Odessa geschickt oder völlig unvorbereitet mit dem Motorrad nach Frankreich auf den Weg gebracht hatte, mit einer Maschine, deren Motor zuweilen mitten in der Fahrt auszugehen pflegte.

Ich besaß bald eine französische Handynummer und mein Name klebte auf dem gemeinsamen Briefkasten. Die behördliche Anmeldung war verwirrend einfach, um nicht zu sagen: inexistent: In Frankreich nämlich meldet man sich nicht an und belegt seinen Wohnsitz einfach mit einer Elektrizitäts- oder Gasrechnung, auf der sich der Name befindet, und für viele Zwecke reicht eine Erklärung des Vermieters oder des Mieters, bei dem man wohnt. Der Anfang war verdächtig einfach, und in der Tag stellte es sich dann als sehr viel schwieriger heraus, ein Bankkonto zu eröffnen, eine Krankenversicherung mit einer gültigen (!) Nummer zu bekommen, ein selbstständiges Gewerbe anzumelden und daneben auch noch alle möglichen Ab- und Ummeldungen in Tschechien vorzunehmen. Allein schon die amtlich beglaubigten Unterschriften für meine tschechische Bank (die Registrierung der neuen Rufnummer für das Online-Banking, nachdem die tschechische Nummer plötzlich aufgehört hatte zu funktionieren) und eine Vollmacht führten dazu, dass mich die Angestellte beim tschechischen Konsulat in Straßburg schließlich als Bekannten begrüßte und mich fragte, ob der Pass vom letzten Mal noch gültig sei. Für den bloß zehnminütigen Vorgang des Unterschreibens und Stempelns war ich einen ganzen Tag lang unterwegs, da keine günstigeren Züge fuhren.

Die Abmeldung des tschechischen Hauptwohnsitzes ging nur persönlich oder per Einschreiben, was teuer war und langwierig. Man bedenke nur den einwöchigen Postweg nach Prag und sodann den mehrtägigen Weg der Behördenvertreter zum Postamt, um die eingetroffenen Sendungen abzuholen. Nachdem das zuständige Ministerium die Bestätigung an die falsche Adresse abgeschickt hatte, konnte ich nicht einfach anrufen oder eine E-Mail schicken, sondern musste erneut einen eingeschriebenen Brief schicken, in dem ich um eine erneute, und diesmal korrekte Zustellung bat.

Auf diese Weise vergingen die Monate, und man glaubt gar nicht, wie schnell ein Vormittag dahin ist, den man mit Formularen, Briefen und Gängen zum Postamt verbringt, wo ich mich längst schon nicht mehr ausweisen muss, da ich dort Stammkunde bin.

Sprachlosigkeit und viel Geduld

Sprachlich fühle ich mich wie jemand, der im Pazifik das Schwimmen lernt. Gelesenes Französisch kann ich mir oft mit englischen Vokabeln zurechtinterpretieren, ansonsten hilft mir DeepL, die bessere Google-Translate-Variante aus Köln. Ich hatte erste sprachliche Erfolge in unserer Dorf-Épicerie und lernte in einem Schwimmkurs (für Fortgeschrittene und als Antidot zu meinen tief sitzenden Erfahrungen aus der Schule), die sprachbegleitende Pantomime der stämmigen Schwimmlehrerin zu deuten. Neue Vokabeln erwarb ich somit an der Käsetheke und beim Luftholen, während ich immer noch keinen Smalltalk verstand. Ich absolvierte eine Online-Fortbildung per Videos auf Französisch und machte dort die Bekanntschaft mit der ganz eigenen französischen Aussprache englischer Wörter, relativiert nur durch die vorangegangene Erfahrung eines englischsprachigen Kurses mit schmerzlich deutschem Idiom, zu dem ich hier aus Rücksicht nicht verlinken werde.

Eines Tages wurde ich von einer Agentur angerufen, und während die Fragen über meinen beruflichen Werdegang und meine Gehaltsvorstellungen durch die Gehirnwindungen rasselten wie ein Eimer französischer Legosteine, die man in ein deutsches Orchestrion geschüttet hatte, begriff ich mit einem Mal, dass es sich hierbei um ein Bewerbungsgespräch handelte. Es folgte später ein weiteres Gespräch mit einer Agentur, diesmal per Video, was den Vorteil hat, dass nun Mimik und Gestik viele Verständnislücken auffüllen, oder zumindest kaschieren können.

In dem hiesigen Naturschutzverein, in dem ich Mitglied bin, gibt es Leute, die stundenlang sprechen, während mein Gehirn wie ein Sieb versucht, zumindest die größeren Partikel und die Strukturen aufzufangen und diese Teile wie in einem unendlichen Puzzle zu sinnvollen Einheiten zu kombinieren. Nach rund einer Stunde der Konzentration fühlt sich mein Denken an wie ein schwerer Koffer, der mir immer wieder aus den kraftlosen Fingern rutscht. Nach zwei Stunden erwische ich mich fast nur noch dabei, wie meine Gedanken längst abgeschweift sind, und jeder nichtige Anlass in meiner Umgebung ist nun dazu geeignet, mir wohltuende Ausflüchte zu bieten, und nach geschlagenen drei Stunden bin ich schließlich so betäubt, dass ich es nicht einmal merke, wenn mich jemand anspricht, und jeder kleinste Denkaufwand führt zu einem zähen Prozess in meinem sprachverschlammten Gehirn, ähnlich wie man nach einer ewigen Serie von Liegestützen nun ein Glas Wasser zum Mund führen will, und man bekommt es einfach nicht vom Tisch hoch.

Treffen mit Freunden von Freunden verliefen oft beschämend frustrierend. Vielleicht vermochte ich aus den fünfzig Prozent, die ich mittlerweile schon verstand, das Thema zu erschließen, vielleicht sogar begriff ich ganz konkret und mit nur fünf Sekunden Verzögerung, worüber vorhin alle außer mir gelacht hatten. Aber ich erfuhr auch während vieler Monate, wie unglaublich wichtig es mir ist, mich selbst aktiv in Gespräche einbringen zu können, sei es mit einer Zwischenfrage, mit einem Laut des Erstaunens, oder sogar mit einer eigenen Erfahrung, mit meiner Meinung, die mich vor den Anderen ein bisschen sichtbarer werden lassen, die mir ein paar Facetten und Details beifügen, etwas Tiefe verleihen, die mich vom “deutschen Freund der Freundin, der immer stumm dabei sitzt, zunächst lächelnd, aber zunehmend geistesabwesend auf die Tischplatte stierend,” zu einem Menschen werden lassen, der eine bestimmte Art des Humors hat, der bestimmte Länder bereist und Dinge gesehen und gemacht hat, der tatsächlich zuhören und auch etwas beitragen und das Gespräch in eine interessante Richtung lenken kann, wenn er nur kann.

Soweit zu meiner anhaltenden Begegnung mit dem Französischen. Die Erfahrung, und so auch die meinige, lehrt einen, dass die beständige Beschäftigung mit einer Sprache zwingend dazu führen wird, sie immer besser zu beherrschen. Der Genuss, eine Sprache zu verstehen, bringt hohe Investitionskosten mit sich. Das ist einfach nicht kostenlos zu haben.

Dann gibt es noch das Frankreich anderer neuer Erfahrungen, der unzähligen Bezeichnungen für Speisen, dass man Soßen selbst zusammenrührt und Fertiggerichte meidet, dass man wenig zum Frühstück und spät zu Abend isst und dass man sehr viel mehr gemeinsam macht, als es in Deutschland normal war, eines Landes einer etwas altmodischen Höflichkeit, wo man sich noch mit “mein Herr” und “meine Dame” anspricht, wo Kultur und Humor ein völlig anderes Niveau haben, einfach weil sie geschätzt und gepflegt werden, in der Familie und im Kleinen, wo Kultur nicht Goethe und Oper heißen muss, sondern auch Satire und raffinierte Comics, spannende (und nicht moralisierende) Fernsehserien und Wortneuschöpfungen, und überhaupt viele Produkte, die nicht erst noch institutionell gefiltert und begradigt werden müssen, bevor sie einer passiv konsumierenden Masse zugeleitet werden. Und nicht zuletzt ist es ein Land des Laizismus, zumindest offiziell.

Frankreich ist allerdings auch die Erfahrung verschwindend weniger Fahrradwege, und das trotz der Tour de France, man ist stolz auf seine technischen Errungenschaften, hier gab es Minitel und hier fährt einen der TGV in etwas mehr als einer Stunde nach Paris, während das deutsche Selbstbild vom größten Technolgiestandort aller Zeiten zu einem guten Teil davon zehrt, dass man den Blick auf andere Länder verweigert. Erneuerbare Energiequellen sind in Frankreich jedoch eher mäßig vertreten und die Atomkraft hat noch etwas von Religionsersatz, als Strahlenkranz des Präsidenten, denn alles andere wäre wohl inakzeptabel für diese “große Nation”. Viele Dörfer sind wie ausgestorben, man fährt lange im Auto zur Arbeit und einkaufen, und das Klischee vom malerischen Café unter Bäumen und dem kleinen persönlichen Laden entspricht zumindest hier in der Region nicht der modernen Wirklichkeit.

Paris ist faszinierend, vor allem seit ich dort unbeschadet Fahrrad gefahren bin, aber ich bin trotzdem froh, in der von Parisern oft belächelten, ignorierten oder völlig unterschätzten Provinz zu leben. Hier ist noch nie jemand ungeduldig geworden, weil ich sprachlich auf Unter-Vorschulniveau einen Einkauf oder Behördengang erledigen musste.

Jetzt müsste ich noch viel über die mehr persönlichen Aspekte meines Lebens schreiben, aber dafür ist dies nicht der rechte Platz. Ich habe generell viel neu begonnen. Ich habe seit Jahren wieder einmal gezeltet, ich habe wieder gezeichnet, habe mir ein hochwertiges Tourenrad mit Satteltaschen gekauft, nach all den Jahren von City-Bike-Sharing, wo man sich mit gekrümmtem Rücken auf lückenhaften Fahrradspuren und im ersten bis dritten Gang durch den Verkehr strampelt (abgesehen von ein paar schönen Touren auf guten Mieträdern), ich habe mich beruflich in eine neue, oder eigentlich alte Richtung orientiert, habe also alte Erfahrungen durch einen Ausbildungs-Marathon auf den aktuellen Stand der Zeit gebracht, ich habe nach Jahrzehnten wieder mit Elektronik gebastelt, führe in meinem Lebenslauf neuerdings ein Praktikum auf, das ich anno 1992 absolviert habe, und ich habe eine Programmiersprache weiter gelernt, die ich zuletzt 1994 in England benutzt hatte.

Über meine Beziehung werde ich hier ebenso wenig schreiben. Ich bin nicht der Mensch, der das Private gerne öffentlich ausbreitet, aber das mag vielleicht darüber hinweg täuschen, wie viel Platz dies Ungesagte in meinem Leben einnimmt, wie grundlegend es mich verändert und meine Wege gelenkt hat und wie sehr es mich jeden Tag aufs Neue beschenkt und bereichert.

Ich sollte wohl auch ein paar Fotos einfügen. Eigentlich bin ich jetzt zu träge, um die Monate von Bildern zu durchsuchen. Ein paar Fotos habe ich aber nun doch gefunden.

Jetzt endlich hat auch Frankreich den verdienten Platz unter meinen Schilderungen und Reflexionen gefunden. Zumindest ist ein Anfang gemacht.

Ein verpasstes Jubiläum

Am 6. September feierte der tschechische Reise-Blog Unterwegs in Tschechien sein fünfjähriges Jubiläum. Eigentlich hatte ich mir dazu eine besondere Aktion oder zumindest einen Artikel vorgenommen, aber dann habe ich den Termin, der sogar in meinem Kalender steht, einfach verpasst.

Das liegt sicher auch daran, dass 2020 kein gutes Reisejahr ist. Warum also einen Artikel über das Reisen schreiben?

Besucherstatistik des Tschechien-Blogs. Im September geht die Kurve wieder hinunter.

Momentan ist die Lage so, dass man nach Tschechien ein- und ausreisen darf, aber beim Grenzübertritt nach Deutschland ist ein negativer Virentest oder Quarantäne fällig, falls man aus Prag kommt.

Die Ausbreitung von COVID-19 in Tschechien bricht fast täglich frühere Rekorde. Im öffentlichen Leben ist das jedoch nicht zu spüren. Mit den Fallzahlen steigt natürlich auch wieder die Zahl der täglich Verstorbenen. Es interessiert aber offenbar nur wenige Leute.

Daten: Johns Hopkins University (Infektionen in Tschechien bis 15.9.2020), Hintergrund: Brauereifest am 12.9.2020 in Prag

Eigentlich müsste ja eine geringfügige Einschränkung der eigenen Bequemlichkeit in Kauf zu nehmen sein, wenn damit ein qualvoller und verfrühter Tod anderer Menschen verhindert werden kann. Aber die menschliche Psyche ist bekanntermaßen sehr kreativ mit allen möglichen Argumenten und Theorien, die eine Bevorzugung des eigenen Wohlgefühls zum Ergebnis haben.

Es ist vielleicht auch eine Folge dessen, dass viele unangenehme Aspekte des Lebens nur noch sehr abstrakt vermittelt werden. Wenn ich davon höre, dass jemand auf der Intensivstation stirbt, dann fallen mir sehr reale Erfahrungen aus dem Zivildienst ein. Viele Leute denken statt dessen an Abhärtung und Auslese, an Verschwörungen und Regierungspolitik.

Nächtlicher Inselurlaub

Ein anderer Grund, warum ich den Termin verschlafen habe, war meine Teilnahme am WordCamp Ogijima. Ogijima ist eine winzige Insel vor der japanischen Pazifikküste, aber dennoch geschützt hinter einer großen Insel. Die drei Schriftzeichen zeigen übrigens einen Mann, einen Baum und eine Insel.

Die Veranstaltung, die eher ein Treffen einer weltweiten Gemeinschaft als eine Konferenz ist, hätte natürlich nicht in die dortige Bücherei gepasst. Das musste sie auch gar nicht, denn sie fand online statt. Ein paar der Veranstaltungen liefen auf Englisch, während die meisten halbautomatisch mit Untertiteln übersetzt wurden.

Für mich in Prag hieß das, dass ich um zwei Uhr morgens aufstehen musste. Es war ein unwirkliches Gefühl: Während vor dem Fenster tiefe Nacht herrschte, nahm ich virtuell an einer geschäftigen Veranstaltung teil. In der “Mittagspause” habe ich mir dann einen starken Kaffee gemacht.

Ein paar der Organisatoren lebt natürlich wirklich auf Ogijima oder nahebei. Aber auch innerhalb Japans waren die Teilnehmer weit gestreut.

In diesem Jahr, in dem Fernreisen fast unmöglich sind, war dies eine sehr aufbauende Erfahrung. Eigentlich saß ich ja nur vor dem Laptop, wie auch an anderen Tagen, aber trotzdem bleibt so etwas wie das Gefühl, einmal fort gewesen zu sein.

Eingeschränktes Leben

Fand ich witzig: Einige Programmierer wissen aus Erfahrung, dass sie die Fehler bloß modifizieren, statt sie zu beheben.

Alle Arbeit, die mit Software zu tun hat, geht natürlich unvermindert weiter. Anders als im Frühjahr, als ich von morgens bis abends nur am heimischen Schreibtisch saß, kann ich nun auch in Cafés arbeiten. Als Selbstständiger habe ich mein Büro natürlich zu Hause, mit allen Vor- und Nachteilen.

Ich vermag nicht zu sagen, wie sich die Pandemie auf diese Einnahmen ausgewirkt hat. Wie auch zuvor schwanken sie eben von Monat zu Monat. Idealerweise müssten sie steigen, um die anderen Einnahmequellen zu ersetzen, die durch den zusammengebrochenen Tourismus ausfallen.

Ein Bekannter ist mit seiner Firma infolge der Krise in Konkurs gegangen. Gemessen daran geht es mir also noch ganz gut. Ich habe keine Angestellten, für die ich verantwortlich bin, und habe auch keine Kosten für Betriebsräume oder Lagerbestände.

Freilicht-Aufführung eines Theaters in Prag mit einer Requisite, die an ein Puppentheater erinnert.

Es ist oft davon die Rede, dass dieses Jahr besonders Online-Technologien fördert, also in etwa wie ein neuer Selektionsdruck, der die Evolution von Technologien verändert. Ich denke, dass dies aber auch für “soziale Technologien” zutrifft, also für – psychische und organisatorische – Methoden, mit den Einschränkungen umzugehen. Viele Lebensweisen und Berufe erweisen sich als krisensicherer als andere.

Zudem wird es auch das Bewusstsein verändern, welche Privilegien selbstverständlich sind und welche innerhalb weniger Tage oder Wochen verschwinden können. Für mich betrifft das etwa das Reisen: spontane Reisen und Fernreisen haben nun einen viel höheren Seltenheitswert.